1.12.05

Das lange Vorspiel: Advent

In einer der jüngsten Werbemails fragt IKEA seine Kunden ganz rücksichtsvoll, wie viel Advent sie schon zu ertragen bereit seien. Ich wünschte, das täten alle. Die Saisonware im Supermarkt könnte diskret in Hinterzimmern platziert werden, die dann von Dominostein-Junkies und Weihnachtskugelfetischisten mit leicht errötenden Ohren aufgesucht würden. Die, die es mögen, könnten dort Vorfreude in instant satisfaction verwandeln. Der Mensch ist ja nicht schlecht, nur weil er Adventszubehör mag, und die so Betroffenen sollte man nicht stigmatisieren – Verpackung auf Wunsch in neutralen Tüten.

Advent ist die Zeit der Begehrlichkeiten, der aufgeschobenen Befriedigung und des verlängerten Verlangens. Kein Wunder also, dass gerade in der Adventszeit die erstaunlichsten psychischen Dynamiken zutage treten. Mein Freund Kurt zum Beispiel verbraucht pro Saison ca. 5-6 Adventskalender von der mit qualitativ fragwürdiger Schokolade bestückten Sorte. Ich nehme an, dies ist sein Versuch, die eigene Sucht zu bezähmen und den Verzehr auf ein Stückchen pro Tag zu begrenzen. Zumindest ist das die einzig sinnvolle Erklärung. Um Genuss kann es hier nicht gehen, den bietet die Schokolade nämlich nicht. Also Suchtbekämpfung. Allein: Der Plan schlägt fehl. Immer wieder. Sobald der aktuelle Tag des Countdown überschritten, das eine Fensterchen zuviel aufgemacht, das eine Stückchen zuviel gegessen wurde, ist das Projekt gescheitert. Dann isst Kurt resigniert die gesamte bis zum 24. verbleibende Schokolade auf und kauft den nächsten Adventskalender. Es ist wahr, ich habe die Stapel entweihter und ausgeweideter Pappschachteln gesehen.

Wenn Advent das ausgedehnte Ausschlachten eines vermeintlichen Höhepunktes ist, das lange Vorspiel, dann kommt Kurt immer zu früh. Das dafür mehrmals.